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"Gab's keine Fleck, gab's Ärger"

 
"Die Minna", wie man das Gasthaus Hartung nannte, war das letzte Gasthaus
an der B 89, bevor man Sonneberg verließ. Siegfried Hartung, einst dort Wirt, erinnert sich noch an so manche Anekdote.

von Stefan Löffler
Quelle: Freies Wort Sonneberg, 23.07.20107
 


Gerda und Siegfried ("Siggi") Hartung vor ihrem Haus, dem ehemaligen Gasthaus Hartung ("Minna"). Es ist Gerdas Elternhaus. 1954 hatte sie es von ihrem Großvater Karl Oberender übernommen und war fortan bis 2000 die Gastwirtin. "Siggi" arbeitete nur nebenbei als Wirt und war im Hauptberuf Zimmermann. Foto: camera900.de

 

Sonneberg-Bettelhecken - Wirtshäuser und Herbergen gehören seit jeher zu Hauptverkehrsadern wie Knoten zu einem Netz oder Perlen an einer Kette. Nur das sie in früheren Zeiten an den Straßen zumeist noch reicher gesät waren als heute. Und so ist denn auch das Gasthaus, dass uns im jüngsten Teil dieser Freies Wort-Serie beschäftigen soll, heute auch schon Geschichte, denn 2003 hat das Gasthaus Hartung ("Minna") seinen Betrieb endgültig eingestellt. Der damalige Wirt verließ Sonneberg. und das Gasthaus wurde zum reinen Wohnhaus. Zurzeit leben hier dessen Vater Siegfried Hartung (74), seine Ehefrau Gerda (76), beider Tochter Martina (51) und Enkel Peter (30). Aber auch wenn der reiche Bildnachlass aus den Glanzzeiten des Wirtshauses aus traurigen Gründen vernichtet wurde, so gibt es doch außer dem einstigen Wirtsehepaar Gerda und Siegfried Hartung noch viele, die sich mit Wehmut an die Zeiten erinnern, als in der "Minna" Hochbetrieb herrschte. So manche Anekdote hat sich dort zugetragen, über die viele noch heute lauthals lachen können.


180 Jahre lang Wirtshaus


Aber blicken wir zunächst noch etwas weiter zurück - darauf, wie alles begann. Senior Siegfried Hartung berichtet: "Man muss bedenken, dass das Haus 180 Jahre lang ein Wirtshaus war - und stets in Familienhand. Zuerst hieß es Gasthaus Oberender, später dann Gasthaus Hartung, als es meine Frau Gerda 1954 von ihrem Großvater Karl Oberender übernommen hatte. Im Volksmund blieb es aber immer ,Die Minna'. Minna hatte nämlich die Großmutter meiner Frau geheißen."


Nicht nur durch seine Lage an der B 89 (damals noch F 89) war "Die Minna" eine sehr frequentierte und gut gehende Gastwirtschaft. Sie war auch ein Zentrum des kulturellen Lebens vor Ort. Vor allem die Bettelhecker Fußballer, aber auch die passionierten Karter fanden hier ein gemütliches Domizil. Hartung über den Wirtshausbetrieb zu seinen Wirkungszeiten: "Zunächst schenkten wir ,Heinzenbräu' aus Schalkau aus, später dann Bier aus dem VEB Brauhaus Sonneberg. Daneben führten wir eine recht rustikale Küche: Eisbein und Kaiserfleisch mit Sauerkraut, Sülze und solche Sachen. Besonders auf meine Sülze, die ich jeden Dienstag selber machte, waren viele ganz scharf - und natürlich auf die Fleck, die ich jeden Freitag anbot. Gab's mal keine Fleck, gab's Ärger, gab's Sauerei", erzählt "Siggi" und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.Aber auch mit dem Bier war es nicht so einfach. Und das hatte gleich mehrer Gründe. Hartung erinnert sich an die Herausforderungen, die das wegen seiner geringen Haltbarkeit im Volksmund nur "Flockenbräu" genannte Sonneberger Bier an die Gastwirte von damals stellte: "Theoretisch holten wir nur alle acht Tage Bier. Aber wie sollte man das machen, wenn sich das Bier - vor allem im Sommer - nur drei, vier Tage hielt? Und wenn man zwischendurch kam, um Nachschub zu holen, wurde man gleich angezählt."


Andererseits verfügten die damaligen Theken noch nicht über Durchlaufkühler, was an heißen Tagen zu Kopfzerbrechen führte. "Siggi": "Wir haben zum Lagern
der 30-, 50- oder gar 100-Liter-Fässer noch lange einen etwa 400 Meter vom Gasthaus gelegenen Keller benutzt. Zumeist wurden sie aber in einem Extraraum und den Gewölbekellern des Wirtshauses gelagert."

Der Verbrauch an Gerstensaft - ein 0,25-Liter-Glas ("Schnittla") kostete in der "Minna" damals 49 Pfennig (DDR), ein Liter (Maß) 1,96 DDR-Mark - war groß, insbesondere zur Bettelhecker Kerwa, die bis 1989 an jedem ersten Sonntag im September in und um die "Minna" gehalten wurde. "Siggi" erinnert sich: "Der Inhalt von fünf bis sechs 100- Liter-Fässern ging da schon drauf."

 

Alles war reglementiert


Problematisch waren zu DDR-Zeiten aber nicht nur der Biernachschub und die Bierqualität. Hartung: "Auch mit den härteren Sachen war das nicht so einfach. Man konnte als Gastwirt nicht einfach in die nächste Konsumverkaufsstelle gehen, ein paar Flaschen Schnaps einkaufen und diesen dann ausschenken. Das war verboten. Alles wurde stattdessen zugeteilt. Die Preise für die Getränke und Speisen wurden festgelegt. Wenn also das Schnitzel mit Setzei 2,50 DDR-Mark kostete, dann galt das von Sonneberg bis Rostock. Da konnte man als Gastwirt nicht einfach schnell mal ein paar Pfennige draufschlagen."


Wie schon erwähnt fühlten sich in der "Minna" vor allem die Stammgäste und Kartenspieler wohl. Hartung erinnert sich: "Jeden Freitag traf man am Stammtisch den Hahlas-Fritz (Fritz Hähnlein), den Matthes-Gustav, den Wintersteins-Kurt und Opa Hermann, den Großvater meiner Frau. Und jeden Sonntag karteten bei uns Hilmar Schultheiß, Otto Langbein und Armin Leutheuser."


Ein wandlungsreicher ABV


Gespielt wurden vor allem "66" und "17 und 4" - manchmal auch um größere Geldsummen, was eigentlich streng verboten war. Manchmal kam es raus, denn es gab da Gestalten wie jenen Abschnittsbevöllmächtigten (ABV), der selbst mitkartete, bis Polizeistunde war, dann heimging, seine Uniform anzog und zurückkehrte, um den Wirt für das "illegale Glücksspiel" abzustrafen.


Doch auch Siegfried Hartung war nicht auf den Kopf gefallen. "Siggi" erinnert sich: "Am nächsten Tag ließ ich mir in der Sparkasse die geforderte Strafsumme in Kleingeld auszahlen und brachte die Röllchen dann zum ABV. Der sagte, ich solle das zählen. ,Tut mir leid, so viel Zeit hab' ich nicht', darauf ich. Da drohte er mir, wenn ich so was noch mal abzöge, würde er mich gleich einsperren."


Manchmal waren es aber auch die Wirtsleute der "Minna", denen ein Streich gespielt wurde. Auch daran erinnert sich "Siggi" noch genau: "Wir hatten da so einen durchgehenden Ofen von der Küche zum Gastraum. In dem war gerade eine Gans gebraten worden. Als die Wirtin aber nach ihr schaute, fand sie nur noch ein Scheit Holz in der Pfanne. Ein paar vorwitzige Gäste hatten die fertige Gans herausgezogen, kurzerhand aufgegessen und - als Ersatz - das Holz reingelegt."


Noch dreister aber waren jene Burschen, die freitags ihren Teller Fleck bis zur Hälfte auslöffelten, dann ein Haar reinfallen ließen, die Wirtin - damals noch die Minna selbst - riefen, sich hierüber beschwerten und darauf ihren Teller , kostenlos, noch mal vollgemacht kriegten.

Ein weiteres Beispiel für den gewöhnungsbedürftigen Humor der Bettelhecker: "Einmal haben sie uns zur Kirchweih auf der Toilette die Lichter rausgeschraubt und die Klobrillen mit Sirup eingestrichen. Ich hab' mich prompt draufgesetzt und hatte die Bescherung. So musste ich, mitten im Kirmesstress, erst mal duschen gehen", berichtet "Siggi".

 

Ein Bild vom Abriss der alten Scheune hinterm Wirtshaus. Als sie als Heudepot nicht mehr gebraucht wurde, hat sie Hartung 1990 abgebrochen. Repro (2): camera900.de

 

Die Story vom "Schimmel"


Das Allerdreisteste aber war das, was zwei Halbstarke aus dem Dorf eines Tages - es war wiederum Kirchweih-Zeit - mit der "Fanny" anstellten. "Fanny" hieß das Pferd der Hartungs - ein schönes Warmblut. Die beiden Lümmel lenkten "Siggi" ab, schlichen in "Fannys" Stall und strichen diese vollständig mit Kalkfarbe ein. So war das schwarz-braune Pferd plötzlich weiß. Die Übeltäter aber warteten in der Wirtsstube darauf, was passieren würde. Da kam "Siggis" Schwiegervater herein und fragte: "Wem gehört denn der Schimmel in unserem Stall?" Da meckerten die dreisten Burschen schon los. Und der ebenfalls gerade in der Stube sitzende Klaus "Hahla" (Hähnlein) spöttelte: "Wenn na widda drugg'n (trocken) iss, kannst de na lackier' lous!"


Heute kann Hartung über die ganze Angelegenheit lachen, aber damals hätte sie für die Tunichtgute fast ein übles Nachspiel gehabt. Hartung: "Der damalige Tierarzt Dr. Aierle wollte die Beiden nämlich wegen Tierquälerei drankriegen. Erst als diese sich bereit erklärten, die teure Medizin zu bezahlen, die nötig war, um das schwer mitgenommene Pferd - dem wegen des ätzenden Kalks das Fell in großen Stücken ausfiel - wieder zu heilen, sah er davon ab." Nun, "Fanny" überlebte glücklicherweise diesen bedenklichen Streich. Die Namen der beiden Übeltäter kennt aber noch heute ganz Bettelhecken.


Vom "Billardkönig Paul"


Natürlich gab es unter den Gästen der "Minna" auch echte Originale. Ein solches war Paul Schott, gemeinhin nur "der Billardkönig" genannt. "Die Minna" war nämlich eine der wenigen Gaststätten, die schon recht früh über einen Billardtisch verfügte. "Es gab Tage, da ist der Paul um 9 Uhr zu uns ins Wirtshaus gekommen und bis Mitternacht dageblieben. Da war es keine Seltenheit, dass die Striche auf seinem Bierdeckel manchmal rundum gingen. Einmal bekam der Paul sogar das Essen ins Wirtshaus zugetragen", erinnert sich Hartung und fügt hinzu: "Auch beim Billard wurde oft mit Einsatz gespielt. Da ging es manchmal um ganze Schüsseln voll mit Gehacktem oder auch um etliche Flaschen Sekt."


Zu DDR-Zeiten war das Wirtshaus stets gut gefüllt. "Siggi": "Viele kehrten auf dem Heimweg von der Arbeit bei uns ein und blieben dann hier hängen. Wenn sie dann zu betrunken waren, habe ich sie manchmal sogar heimgefahren." Meistens waren es die Männer aus dem Dorf, die regelmäßig das Wirtshaus frequentierten. Aber auch so mancher, der auf der B 89 unterwegs war, kehrte gern dort ein. So erinnert sich Hartung noch gut an einen Lkw-Fahrer aus Dresden, der fast immer im Wirtshaus reinschaute, wenn er wieder mal eine Ladung aus der Furnierfabrik in Mengersgereuth-Hämmern (Sperschneider) abgeholt hatte.


Eines bedauert Hartung, mittlerweile Rentner, noch heute: "Da meine Frau die Wirtschaft machte und ich nur nebenbei als Wirt arbeitete, im Hauptberuf hingegen als Zimmermann tätig war, und zudem vor allem an den Feiertagen im Wirtshaus Hochbetrieb herrschte, hatten wir eigentlich nie Zeit."


Neue Zeiten, neue Sitten


Dies blieb auch nach der Wende so. Die Hartungs nahmen die Herausforderung an und führten ihr Gasthaus weiter, auch wenn der Saal nach 1989 zu Wohnzwecken umgebaut wurde und Tanzvergnügen nun entfielen. Der Ruf der "Minna" zog weiterhin viele Gäste. "Siggi" erinnerte sich: "Selbst Rödentaler kamen regelmäßig, um sich bei mir Sülze zu holen." Nach wie vor verkehrten auch die Fußballer in der "Minna" und haben - wie "Siggi" verschmitzt zugibt - "an alkoholischen Getränken so manches weggeputzt."


Gesundheitliche Gründe waren es dann, die Gerda und "Siggi" im Jahr 2000 zur Aufgabe ihrer Gastwirtstätigkeit bewogen. "Drei Jahre hat mein Sohn darauf den Gaststättenbetrieb noch weitergeführt. Dann war endgültig Schluss", erzählt Hartung. Heute ist er - zumeist mit Freunden und Bekannten - oft zu Gast im Café im City-Center. Dann sitzt er dort, lässt sich bedienen, gedenkt der alten Zeiten in der "Minna" und wundert sich immer noch über diese seltsame Welt der freien Marktwirtschaft, in der ein Mineralwasser teurer sein kann als ein Bier.

 


Hier sieht man noch gut die Nottreppe, die seitlich am Wirtshaus Hartung (Bettelhecker Straße 142) hinauf in den Tanzsaal führte. Die großen Fenster sind nicht mehr vorhanden. Im Saal wurde lange auch geturnt. Das Foto ist aus den 1970er-Jahren.

 

 

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