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Als die Olga das „Marienthal“ managte

von Stefan Löffler, Freies Wort Sonneberg, 08.01.2010

   

Entlang der B89 | Ursula und Dieter Schindhelm erinnern sich an den Alltag in der Traditionsgaststätte, die heute ein griechisches Restaurant ist. (Teil 60)

   
Sonneberg-Bettelhecken – Hauptverkehrsstraßen boten von altersher schon immer auch prädestinierte Standorte für Gasthäuser und Herbergen. Auch entlang der B 89 lagen und liegen solche aufgereiht wie Perlen an einer Kette – auch wenn die Abstände zwischen diesen „Perlen“ in unserer Zeit wesentlich größer geworden sind als einst. Nur allzu oft haben solche Gasthäuser bereits eine lange Geschichte. Eine der markantesten an der B 89 im Sonneberger Land ist zweifellos das einstige „Marienthal“. Und auch wenn es seit einigen Jahren Restaurant „Rhodos“ heißt, ist es doch im Volksmund stets „das Marienthal“ geblieben.
   


Diese Lithographie zeigt das „Marienthal“ 1896. Graebe & Hetzer vertrieben sie als Postkartenmotiv. Der freie Platz rechts unten war für den Text vorgesehen. Repro: Stadtarchiv
                

Ursula (Jahrgang 1940) und Dieter Schindhelm (Jahrgang 1939) haben eine ganz besondere Verbindung zu diesem Hause. Nicht nur, dass sie lange im „Marienthal“ wohnten. Von 1990 bis 2002 waren sie auch die Wirtsleute des „Marienthals“. Da war es aber schon weit über 100 Jahre lang ein Gasthaus gewesen.


Um die Gunst des Publikums ...


„Einem hochgeehrten Publikum von Sonneberg und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich am heutigen Tage die Sommerwirtschaft , Marienthal‘ verbunden mit Asphaltkegelbahn und Billiard von Herrn Friedrich Heubach und Sohn übernommen habe. Da dieselbe allen Anforderungen entsprechend eingerichtet ist, so erlaube ich mir, zu recht zahlreichem Besuch höflichst einzuladen. Ich werde stets bemüht sein, durch prompte Bedienung sowie gute Speisen und Getränke mir die Gunst geehrten Publikums zu erwerben. Bettelhecken, im März 1883. Hochachtungsvoll Hermann Hoell!“ So machte damals der neue Gastwirt den Sonnebergern seinen Start im „Marienthal“ bekannt. 1890 eröffnete man sogar einen eigenen „Kurgarten“. Und eine 1896 von Gräbe & Hetzer verfertigte Lithographie, die vor allem als Postkarte – sowohl koloriert als auch unkoloriert – Verbreitung fand, gibt uns noch heute eine sehr gute Vorstellung davon, wie solch eine „Sommerwirtschaft“ im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts ausgesehen hat – mit weiträumigen, schön dekoriertem und mit pergola-ähnlichen Gerüsten eingefassten Biergarten, in dem die Gäste im Schatten von Kastanien in der heißen Jahreszeit ihr Bier oder ihre Limonade genossen.
   



Das Gasthaus „Marienthal“ im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts hier als Postkartenmotiv. Repro: Hermann Schunke


Bei Eleni Juanitou und Petros Tosios in besten Händen: Das einstige Marienthal“ wurde zum Restaurant „Rhodos“.
    

Auch eine schöne Umgebung


Das „Marienthal“ war eine der beliebtesten Ausflugsgaststätten der „Weltspielwarenstadt“ – und durch die direkt vorm Haus vorbeiführende Chaussee bekam das Gasthaus auch Besuch von Durchreisenden. Gleich gegenüber erstreckte sich, jenseits der Straße, in nicht all zu großer Entfernung der Mariensee. Auf ihm konnte man mit dem Ruderboot fahren und im Winter Schlittschuh laufen. Zudem wurde hier Kühleis für mehrere Sonneberger Brauereien gebrochen. Später verfüllt, entstand auf ihm eine Kleingartenanlage. Später entstand gleich hinterm Mariensee, aber auch noch in Sichtweite des „Marienthals“, ein schöner Sportplatz, auf dem auch viele Fußballspiele ausgetragen wurden. Eine Zeit lang betrieb nahebei der Fabrikant Funk eine Geflügelfarm. Das Gasthaus jedenfalls blühte – auch wenn es in den schweren Not- und Inflationszeiten der 20er Jahre schon öfter mal vorkam, dass – wie im Teil 58 dieser Serie berichtet – diejenigen, die hier feiern wollten, die Zutaten für die nötigen Speisen selbst mitbringen mussten. Die Jahrzehnte vergingen, die Zeiten wandelten sich – aber das „Marienthal“ blieb ein Gasthaus und beliebtes Einkehrziel, auch während der DDR-Ära. Bis zu seinem Tode im Jahr 1968 führte es Arno Räder, Dieter Schindhelms Stiefvater. Der hatte dessen Mutter Olga (1915 –1998) geheiratet, nachdem deren Mann – Dieters leiblicher Vater – im Krieg gefallen war. Auch wenn Arno Räder der Chef war, hatte doch damals seine Frau Olga die meiste Arbeit. „Die Olga hat in der Küche fast alles allein gemacht. Nur an Feiertagen und bei solchen Anlässen wie der Bettelhecker Kirchweih, die damals – jeweils am ersten Sonntag im September – noch auf der Fläche neben dem „Marienthal“ gefeiert wurde, hatte sie Aushilfen“, erinnert sich Ursula Schindhelm.
    


Von 1990 bis 2002 waren sie die Wirtsleute des „Marienthals“ (im Hintergrund: das Wirtshausschild): Ursula und Dieter Schindhelm, die hier ihr Hochzeitsfoto zeigen. Als sie heirateten, führte noch Dieters Stiefvater Arno Räder das Gasthaus. Seine Mutter Olga stand aber nicht nur in der Küche, sondern oft auch hinterm Tresen. Sie war die gute Seele des Hauses.
Fotos (3): camera900.de
         

Nach Räders Tod wurde das „Marienthal“ eine Konsumgaststätte und Heinz Dietrich übernahm das Ruder als Wirt, ab 1979 dann Jürgen Druskus. 1983 feierte die Gaststätte 100-jähriges Bestehen.Die Schindhelms, die bis 1983 im Obergeschoss des „Marienthals“ wohnten, erinnern sich: „Erst in der Zeit als Konsumgaststätte weitete sich der gastronomische Betrieb dann auch hinsichtlich des Speisenangebotes aus. Früher, zu Zeiten von Arno Räder, gab es noch nicht so viel Essen. Sülze und Hackepeter schon, aber mit dem Mittagstisch ging es so richtig erst danach los.“ Dann ging die DDR unter und es war Schluss mit der Konsumgaststätte. Die Schindhelms wohnten damals schon nicht mehr im „Marienthal“.

Sie waren stattdessen in das von ihnen, 1981 von ihnen auf einem Hanggrundstück gleich hinterm „Marienthal“ gezogen. Sie hatten es auf zwei, schon 1961 von Arno Räder errichteten Garagen hochgezogen. Noch im Wendejahr 1990 entschlossen sie sich dann, selbst das Marienthal“ als Wirtsleute zu übernehmen. „Das war gar nicht so einfach. Zunächst musste alles renoviert werden. Rund eine halbe Million DM mussten wir da reinstecken, bevor es erstmal losgehen konnte“, erinnert sich Dieter Schindhelm.


Stammgäste auch aus Neustadt,


Doch dann kam die Gaststätte wieder in Schwung. Selbst aus Neustadt bei Coburg strömten regelmäßig Gäste herbei. Besonders an den Wochenenden war das „Marienthal“ mit seinen rund 100 Plätzen zumeist gut gefüllt. Und an den Freitagabenden drängten sich am ovalen Stammtisch manchmal fast 20 Leute. Neben der Stammtisch- ab es aber auch noch diverse Karttisch-Stammbesatzungen. Das Speisenangebot konnte sich sehen lassen. Ursula Schindhelm erzählt: „Während dann Klöße und die verschiedensten Braten auf den Tisch kamen, setzten wir die Woche über auf deftige Hausmannskost. Noch heute loben viele vor allem unsere Leber mit Bratkartoffeln.“ Und Dieter Schindhelm, der – oft im Wechsel mit Sohn Uwe – hinterm Tresen stand, berichtet: „Ausgeschenkt haben wir nun Gampert-Bräu, also Bier aus dem Frankenwald. Früher hatte das Marienthal hingegen erst Ehrlicher-Bräu und dann Bier aus dem Brauhaus Sonneberg bezogen.“
         


Dass sie so mit Geschenken überhauft wurde, hatte sie sich redlich verdient: Olga Räder an ihrem 80. Geburtstag. Nachdem ihr Mann Arno krank wurde, lastete die ganze Arbeit auf ihr.
        

2002 dann der Schicksalsschlag: Dieter Schindhelm erlitt einen Schlaganfall und war zeitweilig teilweise gelähmt. Die Folgewirkungen machten es ihm unmöglich, weiter als Wirt zu wirken. Und alleine schaffte es seine Gattin Ursula nicht. „Wider Willen und nur aus diesen gesundheitlichen Gründen entschlossen wir uns schweren Herzens, die Wirtschaft abzugeben.“ Schließlich wurde diese von Eleni Juanitou und ihrem Mann Petros Tosios, einem Griechen, übernommen. Aus dem „Marienthal“ wurde das „Rhodos“.

Ein schmuckes Gasthaus ist es aber geblieben. Auch wenn die Bettelhecker Kerwa schon lange nicht mehr am ehemaligen „Marienthal“, sondern stattdessen auf dem Sportplatz gefeiert wird.


Statt Kastanien nun Linden


Aber der altehrwürdige Biergarten hinterm Restaurant kam nun, da das „Marienthal“ das Restaurant „Rhodos“ ist, wieder zu Ehren, wird wieder genutzt. Auch wenn es mit dem Im-Schatten-der-Kastanien-Sitzen nichts mehr ist, denn diese schönen Schattenspender sind – allesamt – beim großen Orkan von 1958 umgestürzt. „Glücklicherweise fielen die Bäume damals alle nach der Mitte hin, so dass von der Umfassung des Biergartens nichts zerstört wurde“, erinnert sich Dieter Schindhelm. Anstelle der Kastanien stehen nun aber Linden.

Wie sehr die Schindhelms aber noch immer an „ihrem Marienthal“ hängen, zeigt ein Blick in den gemütlichen Raum, den sie sich im Keller ihres Wohnhauses eingerichtet haben. Der enthält nicht nur eine Sitzecke, einen runden Tisch und etliche Grünpflanzen, sondern – an den Wänden aneinandergereiht – auch all das, was Schindhelms 2002 aus dem Gasthaus herübergerettet haben: Fotos aus ihrer Wirtszeit, Familienfotos, Reklameschilder, die Geweihe, die einst in den beiden Gasträumen hingen und nicht zuletzt das emaillene Wirtshausschild.


Auch heute in besten Händen


Hier, zu Füßen all dieser Erinnerungsstücke, lassen sich Schindhelms nieder, wenn sie mal was zu feiern haben oder ihre Kinder zu Besuch kommen. Ab und an besuchen sie aber auch das „Rhodos“, denn die Schindhelms sind gute Bekannte der neuen Wirtsleute geworden. Ursula Schindhelm bekennt: „Als wir das Wirtshaus damals verkauften, wollten wir ja – alleine schon wegen der langen Tradition des Gasthauses – eigentlich jemanden als Nachfolger, der auch deutsche Küche anbietet. Schließlich hatte es bis dahin im ,Marienthal‘ immer deutsche Küche gegeben, über 100 Jahre lang. Dann fand sich aber niemand dergleichen und so wurde schließlich ein Restaurant mit griechischer Küche daraus. Was aber Eleni und Petros daraus gemacht haben, ist einfach prima und kann sich genau so sehen lassen wie ihr Angebot an Speisen und Getränken. Und so kehren auch wir immer mal wieder gerne bei ihnen ein – auch weil wir wissen, dass das einst von uns geführte Gasthaus bei dieser fleißigen Wirtsfamilie in besten Händen ist.“
               


Blick auf das einstige Wirtshaus „Marienthal“ (heute Restaurant „Rhodos“) aus der Luft. Der Kreisverkehr entstand erst im Jahre 2007 als Bestandteil der neuen Stadteinfahrt Sonneberg-West.
       
       

Quelle: Freies Wort Sonneberg, Lokalteil, 08.01.2010

 

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